Emotionen und Trailer: Welcher Film lockt mehr Besucher in die Kinos – Schoßgebete oder Männerhort?

12. Juli 2014
Johannes Meixner

Trailer und Emotionen – wie passt das zusammen? Im Spätsommer diesen Jahres strahlt Constantin Film zwei hochkarätige Filme in den Kinos aus: Zum einem die Verfilmung des Charlotte Roche Bestsellers “Schossgebete“, zum anderem “Männerhort” mit Christoph Maria Herbst (Stromberg), Elyas M’Barek (Türkisch für Anfänger) und Detlev Buck (Herr Lehmann) in den Hauptrollen. Emolyzr, das Neuro-StartUp der Humboldt-Universität zu Berlin, hat die Trailer beider Filme hinsichtlich Ihrer emotionalen Wirkung auf das Publikum getestet und beantwortet die Frage, welcher Trailer mehr Zuschauer in die Kinos zu locken vermag.

Warum sollten Produzenten Emotionen bei Trailern beachten?

Emotionen sind mächtige Entscheidungstreiber. Die emotionalen Reaktionen, die ein Kinotrailer im Zuschauer hervorruft, bilden mithin die Entscheidungsgrundlage, ob er in den Kinofilm geht oder eben nicht. Je stärker die Inhalte des Trailers positive Emotionen im Betrachter hervorrufen, desto eher tendiert er zu der Entscheidung, sich diesen Film anzuschauen. Führt der Trailer hingegen vornehmlich zu negativen Emotionen, führt dies in der Regel dazu, dass der Betrachter zuhause bleibt. Der Filmtrailer ist für viele Kinogänger eine der wichtigsten Informationsquellen bei ihrer Entscheidung, ob sie sich einen Film anschauen oder nicht. Gerade deshalb ist für den Erfolg des Films, die (emotionale) Wirksamkeit des Trailers besonders wichtig.

Wie erfasst man zuverlässig die Emotionen eines Trailers?

In unserem neurowissenschaftlichen Labor schauten sich jeweils 20 Testpersonen die Trailer von Schossgebete und Männerhort an. Während die Testpersonen die Trailer ansahen, wurden ihre spontanen unwillkürlichen emotionalen Regungen erfasst. Dazu nutzen wir eine patentierte Kombination aus Blickbewegungsmessung (Eye-Tracking) und peripher-physiologischer Emotionserfassung. Durch Elektroden werden für das bare Auge unsichtbare Gesichtsmuskelreaktionen aufgezeichnet und der Zustand des autonomen Nervensystems überwacht.

Durch die Messung kann man unter anderem Folgendes feststellen:

icon_eyeAufmerksamkeit: Welche Personen und Objekte werden betrachtet? (So lässt sich die Kameraführung und der Schnitt evaluieren. Beispiel: Bei Trailern sollte die Aufmerksamkeit stets auf eine Person bzw. ein Objekt fokussiert sein.)

icon_emotion Attraktivität: Welche Szenen des Trailers lösen unmittelbar positive Reaktionen in den Betrachtern aus? (So lässt sich die Selektion von Szenen und die Abstimmung der Szenen aufeinander evaluieren. Beispiel: Eine negative Szene kann die emotionale Wirkung der darauf folgenden oder sogar des gesamten Trailers beeinträchtigen.)

icon_wetAktivierung: Wie stark vermag es der Trailer die Betrachter zu aktivieren? (Beispiel: Gute Trailer führen zu emotionaler Aktivierung des Betrachters, dass potenziert die vorherrschende Emotion. Ein insgesamt positiver Trailer, der zugleich emotional aktivierend ist, führt am wahrscheinlichsten dazu, dass der Betrachter den Film auch sehen möchte.)

 

Schossgebete im Emotionen-Test

Der Trailer von Schossgebete überzeugt in unserer emotionalen Analyse mit absoluten Top-Werten. Sowohl auf der Dimension der Attraktivität (links) als auch auf der Dimension der Aktivierung (rechts) erreicht der Trailer die Höchstpunktzahl von 100 Punkten. Das bedeutet, dass der Film unserem Testpublikum besonders gut gefallen hat und im Mittel zu intensiven positiven Gefühlen führte. Die Vorschau zu Schossgebete vermag es das Publikum nicht nur positiv zu berühren, sondern auch emotional mitzureißen.

Schauen wir uns den Trailer in der Videoanalyse genauer an, können wir ausmachen, welche Szenen zu dem Gesamtergebnis führen und bei welchen Szenen trotz der guten Werte noch weiteres Optimierungspotential besteht. Für TV-Spots, Trailer und andere Kurzfilme besonders wichtig sind ein sofortiger emotionaler Einstieg um das Interesse für den weiteren Verlauf des Trailers zu wecken (Primacy-Effekt), sowie ein deutlicher Höhepunkt und ein positiv aktivierendes Finale. Die letzten beiden Punkte bestimmen zu 80-90% die emotionale Erinnerung der Betrachter (Peak-End-Rule). Die sonstigen Szenen sollten nach Möglichkeit nicht zu negativen Emotionen führen.

Schossgebete steigt sofort bei 0:05 mit einer positiv aktivierenden Szene ein. Ein Mann, der ein Verkaufsregal mit vielen Dildos betrachtet, wirkt zuerst noch irritierend, löst dann aber einen positiven, aktivierenden Peak aus. Von 0:07 bis 0:20 folgt dann eine emotionale Durststrecke, in der das Publikum nur wenig emotional reagiert und schließlich bei 0:17 sogar eine sehr intensive, negative Reaktion zeigt. Die Szene mit der Verkäuferin kommt bei den Betrachtern sehr schlecht an. Die darauffolgende Szene mit dem Paar wird wiederum positiv rezipiert und auch der Witz zündet, dass der Dildo nicht für sie sondern für ihn bestimmt ist. Besonders wichtig: Exakt in dem Moment (0:33), wo der Trailer seinen emotionalen Höhepunkt erreicht, wird auch der Titel “Schossgebete” eingeblendet. Optimales Branding! Die Einspielung der Musik sorgt auch für die entsprechende emotionale Aktivierung dieser Szene und brennt den Titel noch tiefer in das Gehirn des Publikums ein. Der Witz zum Ende mit dem “Sperma schlucken” wirkt zuerst negativ, schwenkt jedoch in einen finalen emotional positiv aktivierenden Show-Down um. Das positiv aktivierende Ende des Trailers sorgt dafür, dass auch der letzte Eindruck stimmig ist.

In der Videoanalyse pink eingefärbte Bereiche lösen bei den Betrachtern positive Gefühle aus, eisblau eingefärbte Bereiche negative Emotionen. Am unteren Bildrand ist der Verlauf der emotionalen Wirkung über die Dauer des Spots dargestellt.

In der Gesamtbewertung – dem Neurobench – erhält die Vorschau zu Schossgebete satte 5 von 5 Sternen. Der Trailer überzeugt durch die intelligente Inszenierung der Startszene, des Höhepunkts und der Schlussszene, die allesamt zu stark aktivierenden, positiven Reaktionen führten. Lediglich die Szene mit der Verkäuferin kommt bei dem Publikum gar nicht an und sollte wenn möglich ausgetauscht oder überarbeitet werden.

 

Männerhort im Emotionen-Test

Der Männerhort-Trailer zeigt insgesamt eher ein durchwachsenes Ergebnis. Auf der Aktivierungsskala werden genauso wie für Schossgebete 100 Punkte ausgewiesen, jedoch auf der bedeutsameren Dimension der Attraktivität schneidet der Trailer mit 35 von 100 möglichen Punkten nur dürftig ab. Überwiegend emotional negative und neutrale Szenen prägen das Bild, das im Kopf der Zuschauer vom Film entsteht.

Die komplette erste Hälfte des Männerhort-Trailers (bis 0:24) wirkt insgesamt sehr düster. Dazu tragen vor allem die Hammergeräusche und auch die Kameraführung bei (von oben herab). Das Reaktionsmuster zeigt eine klassische Irritierungsreaktion des Publikums: Negative Emotionen gepaart mit mehreren aufeinanderfolgenden Aktivierungen. Der Betrachter fragt sich innerlich: “Was soll das?” und versucht sich zu orientieren. Wenn dies gewollt war, transportiert der Trailer durchaus effektiv diese Stimmung. Den Produzenten sollte jedoch auch klar sein, dass dieser erste Eindruck den weiteren Verlauf des Trailers negativ zu beeinflussen vermag (der erwähnte Primacy Effekt) . Verglichen mit Schossgebete entfalten sich dementsprechend nur wenige und in ihrer Intensität nur schwache positive Peaks. So hat der Trailer dann auch keinen herausstechenden emotionalen Höhepunkt (nur maue 68% bei 0:32), was dazu führt, dass er im Gedächtnis der Betrachter eher als “mittelmäßig attraktiv” hängen bleiben wird. Das sich anschließende “Witzfeuerwerk” zündet nicht. Die Witze folgen zu schnell und zu wenig zusammenhängend um eine verständliche und damit emotional bindende Story zu bilden. Retten kann sich der Trailer dadurch, dass der Titel “Männerhort” zweimalig (statt wie bei Schossgebete nur ein Mal) bei 0:26 un 0:46 eingeblendet wird und das Wortspiel mit dem eingefügten “H” beim Publikum gut ankommt. Ein weiterer gelungener Punkt ist das stark aktivierende positive Ende.

In der Videoanalyse pink eingefärbte Bereiche lösen bei den Betrachtern positive Gefühle aus, eisblau eingefärbte Bereiche negative Emotionen. Am unteren Bildrand ist der Verlauf der emotionalen Wirkung über die Dauer des Spots dargestellt.

In der Gesamtbewertung – dem Neurobench – erhält die Vorschau zu Männerhort immerhin 3 von 5 Sternen. Der Trailer weist eine zu lange und stark irritierende Startszene auf, die sich negativ auf den weiteren Verlauf auswirkt, jedoch immer sehr emotional aktivierend ist. Schließlich können doppeltes Branding und eine gelungene Schlussszene das Ruder letztlich doch noch den Zuschauer überzeugen, den Film anzuschauen.

 

Fazit

Die beiden vorgestellten Trailer sind insgesamt sehr unterschiedlich. Zwar vermögen beide das Publikum emotional zu aktivieren, jedoch auf der Dimension der Attraktivität werden die Unterschiede deutlich. Hinsichtlich der Effekte, ließ sich folgendes beobachten:

  • Primacy-Effekt: Insbesondere bei Männerhort konnte man gut sehen, wie es sich auswirkt, wenn der erste Eindruck ein lang gezogener negativer ist. Der Trailer vermag im Gegensatz zu Schossgebete an keiner Stelle so richtig positiv zu emotionalisieren.
  • Peak-End-Rule: Schossgebete macht hier alles richtig. Einstieg, Höhepunkt und Ende stechen deutlich positiv und aktivierend hervor. Nachdem man den Trailer gesehen hat, bleibt er im Kopf und der Wunsch den Film zu sehen, wird nachhaltig verstärkt.
  • Branding: Während Schossgebete ein perfektes Timing für die Titelszene aufweist, versucht Männerhort durch zweimaliges Einspielen des Titels und Wortwitz sich ins Gedächtnis der Zuschauer einzugraben.

Wir vermuten, dass Schossgebete mit diesem Trailer ein voller Erfolg für Constantin Film werden kann. Aufgrund der guten Besetzung wird vermutlich auch Männerhort nicht floppen. Der analysierte Trailer wird jedoch nur wenig dazu beitragen, auch “nicht-Herbst-Fans” ins Kino zu locken.

 

Presse

Das Fachmagazin “Film-Dienst”, Zeitschrift für Kino und Filmkultur, interviewte Dr. André Weinreich über die emotionale Wirkung von Filmtrailern für die Ausgabe 22/2014. Hier! gelangen Sie zum Interview.

Emotionale Daten für erfolgreiches Marketing.