Ergebnis: Emotionaler Einheitsbrei – Wahlplakat-Analyse zur Bundestagswahl 2017
Die Studie
Mithilfe von modernen neuropsychologischen Methoden untersuchten die Wissenschaftler von emolyzr die emotionale Wirkung von insgesamt 30 Wahlplakaten der sechs größten deutschen Parteien. Zudem befragten wir unsere Probanden, ausschließlich Wechsel-und Erstwähler zwischen 20 und 69 Jahren, zusätzlich nach Ihren expliziten Meinungen und besonderen Erinnerungen. So konnten wir eine genaue und differenzierte Auswertung für jedes Plakat anfertigen. Je besser sich die Probanden an die Plakate erinnern konnten und je positiver ihre spontane emotionale Reaktion ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, sich am Tag der Wahl für die entsprechende Partei zu entscheiden.
Zusätzlich entschlüsselte ein interdisziplinärer Expertenstab von Neuromarketing-, Design- und Kommunikationsexperten von red pepper die Bedeutung und Assoziationen der unterschiedlichen Gestaltungselemente in einer umfangreichen, zweitägigen Expertenanalyse. Sie gestalteten außerdem das NeuroScale Verfahren, welches Auskunft darüber gibt, welche Wertvorstellungen durch die Plakate aktiviert oder frustriert wurden.
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Die Ergebnisse
Insgesamt überzeugte keine der Parteien wirklich oder stach besonders heraus. Im Mittel konnten die Plakate nur einen NeuroBench Score von 2 aus 5 Punkten erreichen. Dieser Wert gibt an, wie emotional aktivierend und gleichzeitig attraktiv ein Plakat erscheint.
Tobias, 28: „Leute, ihr macht das Alte weiter, erreicht das wirklich die Menschen?“
Mit einem Wert von 2,2/5 bildet die SPD die Spitze der von uns untersuchten Parteien, die Grünen tragen mit einem NeuroBench Score von 1,7/5 die rote Laterne. Eine Frage: Ist es tatsächlich förderlich Plakate lachender Menschen und glücklicher Familien zu drucken, um unentschlossene Wähler von sich zu überzeugen? Nun ja – Storytelling wäre besser, aber unsere Ergebnisse zeigen, dass Plakate, auf denen Themenmotive zu sehen sind am emotionalsten wirken (im Mittel 2,1/5), gefolgt von Kandidatenplakaten (im Mittel 1,9/5) – am schlechtesten schneiden die Slogans ab (im Mittel 1,7/5). Die Slogans waren meist zu abstrakt um persönich relevante Bilder in den Köpfen der Betrachter zu erzeugen.
Ein Ausschnitt aus dem Emolyzr-Report. Dargestellt sind die NeuroBench Scores für jede Partei (Balken), die Verteilung der NeuroBench Scores für die BTW 17 (blaues Histogramm) sowie eine Einordnung in den emolyzr Benchmark für Außenwerbung (rotes Histogramm).
Fazit CDU
Wenig emotionale Aktivierung, ein paar positive Emotionen. Passend zum inoffiziellen Wahlkampfmotto „Alles bleibt beim Alten“ überrascht die CDU auch mit ihren Plakaten wenig. Die Nationalfarben strahlen uns entgegen und ziehen sich durch die gesamte Wahlkampagne. Ein Muster, das man bisher eher von der AfD kennt und in dieser Form erst neu für die CDU lernen muss. Neben Logo, Bildern, Botschaft, ist das ein weiteres Element, das es dem Betrachter nicht wirklich einfach macht, sich zurechtzufinden und die Aufmerksamkeit klar zu lenken. Trotz der Fülle an Elementen, ist die gestalterische Qualität des Markenmusters klar zu erkennen.
Dieses Plakat der CDU zählt mit einem NeuroBench Score von 3,2/5 zu den besten drei Plakten in unserer Analyse. Es ruft zum einen positive Emotionen hervor und wirkt gleichzeitig sehr emotional aktivierend. Das Plakat aktiviert gleich im ersten Moment das Konzept „Familie“ und schafft es so, einen positiven ersten Eindruck beim Betrachter zu schaffen. Durch das evolutionär tief in uns verankerte Kindchen-Schema intensiviert das Baby diese Gefühle zuerst. Erst als der Betrachter den Vater bemerkt kippt seine Meinung – ist die Famillie hier doch etwas überzeichnet worden, wirkt zu perfekt? Die sekundengenaue Analyse sehen Sie hier.
Fazit AfD
Die Plakate der AfD bleiben den Menschen im Kopf. Sie sind zu polarisierend und direkt um schnell vergessen zu werden. Vor Allem mit Ihrem Plakat „Seenot“ aktiviert die Partei den Betrachter sehr – aber negativ. Die AfD setzt hier auf Angst als Wahlkampf-Mittel und versucht so verunsicherte Bürger für sich zu gewinnen. Ob diese Strategie aufgeht? Wir werden sehen. Insgesamt hat sich die AfD mit der Gestaltung der Plakate allerdings wenig Mühe gegeben – die Bildsprache ist inkonsequent, einzig der blaue Abbinder und der Einsatz von Botschaften sind einheitlich. Die Plakate besitzen viele Signale, da bleibt es nicht aus, dass sich einige widersprechen und die Aufmerksamkeit sich erst einmal orientieren muss.
Dass Frauke Petry im Wahlkampf mit ihrem eigenen Kind wirbt, löste bei vielen Kopfschütteln aus, andere fanden den Schritt zwar gewagt, aber mutig. Nicola, 34 kommentierte in unserer Nachbefragung „Im Endeffekt tut uns allen nur das Kind leid, aber man kann ja leider nichts für seine Eltern.“ In unserer NeuroBench Auswertung ist genau diese Bipolarität zu erkennen. Die vertraute Haltung die Mutter und Kind einnehmen wirkt konstant positiv, denn wie wir schon beim Plakat der CDU gesehen haben: Das Kindchenschema wirkt in der Regel. Der Slogan löst allerdings eher Verwirrung aus – wenige reden heute noch davon „für Deutschland zu kämpfen“. Dem Plakat fehlt dazu das Potential emotional zu aktivieren um sich wirklich tief im Gedächtnis der Wähler zu verankern. Daher erreicht das Plakat nur einen NeuroBench Score von 1,7/5. Die sekundengenaue Analyse sehen Sie hier.
Fazit SPD
Als knapper Gewinner geht die SPD aus unserer Analyse hervor. Verdanken hat sie diesen Sieg hauptsächlich ihrem Plakat „Bildung“ – das Plakat, welches als einziges konsequent stark positive Emotionen hervorruft. Sonst wirken die Plakate insgesamt eher leicht negativ bis neutral und bis auf das Europaplakat wenig bis gar nicht aktivierend. Auch einstige Hoffnung Martin Schulz kann in unserer Analyse nicht überzeugen. Seine Erscheinung wirkt süffisant, strahlt kein ehrliches Interesse aus. Die Formulierungen der Slogans sind oft kompliziert und laufen somit Gefahr bei kurzer Betrachtung falsch abgespeichert zu werden. Hier zum Beispiel die Assoziation der beiden Wörter “RENTE” und “KLEIN”
Trotz starkem Lächeln wirkt die Dame in diesem Plakat fast augenblicklich negativ. Der Betrachter kann sich nicht mit ihr identifizieren, selbst bei älteren Probanden zeigte sich dieser Trend. Die intergenerationale Verbundenheit zwischen den beiden Frauen (symbolisiert durch die Handgeste) wird kaum wahrgenommen, zu viel Aufmerksamkeit wirkt benötigt den Slogan zu verstehen. Die beiden Worte „Rente“ und „klein“ stehen in direkter räumlicher Nähe zueinander und können somit fälschlicherweise miteinander assoziiert werden – nicht ganz gemäß der Absicht der Gestalter. Die sekundengenaue Analyse sehen Sie hier.
Fazit Die Grünen
Die Grünen haben sich weit aus dem Fenster gelehnt mit ihrer neuen Farbgestaltung und plakativer Typo. Das suggeriert Selbstbewusstsein und Entschiedenheit, kommt aber bei den Betrachtern emotional nicht wirklich gut an, sie landen auf dem letzten Platz in unserer Analyse. Auf den reinen Textplakaten wird man von den Botschaften fast angeschrien, was wahlweise an einen Hilfeschrei oder den moralischen Zeigefinger erinnert.
Ute, 49: „Da dachte ich mir ‚stimmt’ – aber sind das die gängigen Slogans um für Klimaschutz zu werben?“
Die farbliche Verfremdung der Motive im Hintergrund trägt dazu bei, dass das Bild nicht als solches wahrgenommen und somit zu weniger emotionaler Aktivierung führt (vgl. Junge & Reisenzein, 2013). Negative Worte dominieren die Slogans, was zusammen mit der Gestaltung wie eine katastrophalisierender „Hilfeschrei“ anmutet. Grüne Natürlichkeit? Umwelt? Zurück zu den Wurzeln? Fehlanzeige!
Das emotional aktivierendste Plakat der Grünen zeigt Spitzenkandidatin Göring-Eckardt. Hier ist die Bildsprache weniger aggressiv, die Wortwahl wirkt positiv. Der Slogan signalisiert dem Betrachter Hoffnung und aktiviert Ihn gleichzeitig emotional, dadurch brennt sich das gute Gefühl in den Köpfen der Wähler ein. Beim Betrachten des Logos der Grünen kommen dem Betrachter allerdings Zweifel, man ist sich unsicher, ob die Partei diese hohen Ziele auch umsetzen kann. Dieses fehlende Vertrauen kann auch die zuerst positiv wahrgenommene Kandidatin nicht zurückerlangen. Insgesamt erreichte das Plakat einen NeuroBench Score von 2,9/5. Die sekundengenaue Analyse sehen Sie hier.
Fazit FDP
Die Plakate der FDP erinnern eher an ein Fashion Editorial als an traditionelle Wahlwerbung. Spitzenkandidat Christian Lindner präsentiert sich auf fast jedem Plakat in einer lässigen Pose, zurückgelehnt und passiv. Sie wollen jung und modern wirken, attraktiv und zeitgemäß. Bei der Einschätzung der Farbgebung zeigten sich bei unseren Probanden ganz unterschiedliche Meinungen: den einen gefällt es, die anderen sahen das Betrachten als Zumutung. Die breite Masse der Wechselwähler erreicht die FDP damit wohl nicht, aber das ist vielleicht auch gar nicht ihr Ziel. Allein die Verjüngungskur und die symbolisierte Dynamik kann einige Wähler überzeugen, dass sich mit der FDP im Bundestag wieder mehr bewegen kann.
Christian Lindner löst je nach Plakat positive oder negative Gefühle beim Betrachter aus – bei diesem Plakat dominieren aber die Unguten. Diese fehlende Wirkung wird auch auf die Botschaft transferiert. Die humoristische Frage „Wann ändert sich die Politik?“ wird vom Wähler verstanden und erzeugt Lächeln, wodurch auch die FDP in ein positiveres Licht gerückt wird. Viele FDP Plakate beinhalten ein „Kleingedrucktes“, was bei meisten sofort mit negativen Gefühlen verknüpft ist. Es ist gestalterisch zwar hübsch, und soll inhaltliche Tiefe vermitteln, löst aber nicht die gewünschte positive Reaktion aus. Das Kernthema Digitalisierung macht die FDP zwar modern, allerdings aktiviert es den Betrachter kaum – Inhalte wie Sicherheit, Rente und Familienpolitik sind geeigneter um die Aufmerksamkeit des Wählers langfristig zu fesseln. Die sekundengenaue Analyse sehen Sie hier.
Fazit die Linke
Die Linke ist ihrem Muster aus lauten, plakativen Botschaften und weiß-rotem Farbkontrast treu geblieben. Im ersten Moment zieht das die Aufmerksamkeit auf sich, aktiviert – doch leider nicht wirklich positiv. Gestalterisch erinnern die Plakate etwas an die Vorschule. Die Worte sind plakativ, ziehen die Blicke der Betrachter auf sich und sind leicht zu erfassen. Unnötiges Geld für eine Werbeagentur hat man sich scheinbar gespart, um mehr Geld in die Inhalte zu stecken – so soll es den Anschein erwecken. Die Botschaften versuchen, dem Plakat inhaltliche Tiefe zu geben, schrammen aber manchmal an den angezeigten Themen vorbei. Sie sind verkopft, kompliziert und bleiben nur schwer hängen. Wenn aber allein die positiven Schlagworte hängen bleiben, hat die Linke schon etwas gewonnen.
Hugo, 54: „Die waren irgendwie alle gleich.“
Die emotionale Aktivierung ist in den Anzeigen nicht so stark, wie man sich das wünschen würde – und auch die positiven Emotionen lassen auf sich warten. Keine Bilder, die Nähe zum Betrachter aufbauen können, Signale, die nicht immer stimmig sind, eine fordernde Tonalität und meist ein etwas chaotischer Aufbau – rebellisch sind sie schon noch, was die Werte Freiheit und Moral stützt, aber Leistungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein werden der Linken anhand der Plakate nicht wirklich zugetraut.
Die Linke und die SPD sind sich in der farblichen Gestaltung ihrer Plakate in diesem Wahlkampf sehr ähnlich – fraglich wann sie enlich auf Tuchfühlung gehen. Besonders bei diesem Plakat werden durch den Konstrast zwischen weißer Schrift und rotem Grund die Konzepte beider Parteien gleichzeitig aktiviert. Zum Glück ist das Logo der Linken so zentral im Bild plaziert, sonst hätte der Betrachter später Schwierigkeiten bei der genauen Zuordnung. Das hier integrierte Wortspiel regt den Wähler zum Nachdenken an und fesselt so die Aufmerksamkeit des Wählers. Dieses Plakat schafft es den Betrachter von Anfang bis Ende zu emotional zu aktivieren, ruft aber durchgehend negative Emotionen hervor. Es kann außerdem passieren, dass „Keine Lust auf Weiterso mit der Linken“ hängen bleibt. Die sekundengenaue Analyse sehe Sie hier.
Die Inhalte des vollständigen Reports
Der vollständige 300-seitige Report kann kostenlos über unserer Kontaktformular angefragt werden. Sein Inhalt besteht aus:
- vollständige Ergebnisse der NeuroBench Analyse
- kommentierte Detailanalysen für Plakate jeder Partei
- die Top 3 sowie Flop 3 Plakate
- Top of Mind Rankings für Plakate, Parteien und Politiker
- Sympathie Rankings der Parteien
- ausführliche Partei-Fazits
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